Potenzierung

Neben dem Ähnlichkeitsprinzip ist die Potenzierung eine der Säulen in der Homöopathie und gleichzeitig auch die, an der sich die meiste Kritik aufbaut.

Wie schon oben beschrieben, war Hahnemann ärgerlich über die Allopathie (allgemeine Medizin), weil sie den Menschen eher schadete und nicht heilte.

Durch eine Vielzahl von Selbstversuchen und Versuchen an Gesunden, kam er schließlich zu der Überzeugung, dass Arzneien verdünnt werden müssen, damit sie ihre Wirkung optimal entfalten können. Aber nicht nur die Verdünnung ist entscheidend, sondern auch das Schütteln…

Aber konzentrieren wir uns zunächst mal auf das Verdünnen.

Amedeo Avogadro (1776 – 1856)

Amedeo Avogadro fand heraus, dass in einer Maßeinheit Mol immer die gleiche Zahl von Atomen eines Stoffes vorhanden ist. Sie beträgt ca. 6,022 * 10 23 mol -1, also ca. 602 Trilliarden Moleküle.

Aus dem Periodensystem kann man auch die Atommasse ablesen, so dass man auch darüber die Masse der Moleküle in einem Mol berechnen kann.

Ein Beispiel: 1 Mol Kochsalz wiegt 58,5 g.
(Kochsalz besteht aus 1 Natrium-Atom mit der Atommasse ≈ 23, sowie einem Chlor-Atom mit der Atommasse ≈ 35,5, also 23 + 35,5 = 58,5 = Atommasse „u“ = molare Masse in Gramm.)

In der Homöopathie geht man als Anfang einer Verdünnung immer von der sogn. Urtinktur aus, oder auch D0 genannt. D bedeutet, das immer in Schritten 1:10 verdünnt wird, es gibt auch C, LM, Q Verdünnungen, die aber prinzipiell genau gleich ablaufen, nur eben in unterschiedlichen Schritten.

Und so funktioniert die Verdünnung:

Hannemann, 2023

Hier mal nur schematisch dargestellt bis zur Verdünnung D3: Mann nimmt aus der Urtinktur D0 ein Teil und fügt 9 Teile Lösungsmittel dazu und man erhält D1. So geht es immer weiter…bis zu höchsten heute verwendeten Verdünnung D1000.

 

Sehr schön dargestellt in (8):

Lassen Sie uns aus Gründen der Praktikabilität davon ausgehen, dass unsere Urlösung eine 1-molare Kochsalz-Lösung ist. In 1 Liter Wasser sind demnach 58,5 Gramm Kochsalz vorhanden, oder, als Teilchen angegeben, 602.200.000.000.000.000.000.000 Atome Natrium und Chlor.
Lassen Sie uns weiter davon ausgehen, dass wir jeweils mit dem Faktor 10 verdünnen. D.h. wir können, ohne dass wir großartig rechnen müssten, bei jedem Verdünnungsschritt von der Zahl 602 200 000 000 000 000 000 000 (s.o.) die jeweils letzte Ziffer streichen.

Unsere Urlösung enthält 602.200.000.000.000.000.000.000 Teilchen
Die Teilchenzahl beträgt nach dem
1. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 000 00
2. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 000 0
3. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 000
4. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 00
5. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000 0
6. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 000
7. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 00
8. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000 0
9. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 000
10. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 00
11. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000 0
12. Verdünnungsschritt = 602 200 000 000
13. Verdünnungsschritt = 602 200 000 00
14. Verdünnungsschritt = 602 200 000 0
15. Verdünnungsschritt = 602 200 000
16. Verdünnungsschritt = 602 200 00
17. Verdünnungsschritt = 602 200 0
18. Verdünnungsschritt = 602 200
19. Verdünnungsschritt = 602 20
20. Verdünnungsschritt = 602 2
21. Verdünnungsschritt = 602
22. Verdünnungsschritt = 60
23. Verdünnungsschritt = 6

Schaut man auf die Masse, ergibt sich folgendes Bild:

Die Urlösung enthält 58,5 Gramm Kochsalz/Liter
Es verbleiben nach dem
1. Verdünnungsschritt: 5,85 Gramm (D1)
2. Verdünnungsschritt: 0,585 Gramm (D2)
3. Verdünnungsschritt: 0,0585 Gramm (D3)
4. Verdünnungsschritt: 0,00585 Gramm (D4)
5. Verdünnungsschritt: 0,000585 Gramm (D5)
6. Verdünnungsschritt: 0,0000585 Gramm (D6)
7. Verdünnungsschritt: 0,00000585 Gramm (D7)
8. Verdünnungsschritt: 0,000000585 Gramm (D8)
9. Verdünnungsschritt: 0,0000000585 Gramm (D9)
10. Verdünnungsschritt: 0,00000000585 Gramm (D10)
11. Verdünnungsschritt: 0,000000000585 Gramm (D11)
12. Verdünnungsschritt: 0,0000000000585 Gramm (D12)
13. Verdünnungsschritt: 0,00000000000585 Gramm (D13)
14. Verdünnungsschritt: 0,000000000000585 Gramm (D14)
15. Verdünnungsschritt: 0,0000000000000585 Gramm (D15)
16. Verdünnungsschritt: 0,00000000000000585 Gramm (D16)
17. Verdünnungsschritt: 0,000000000000000585 Gramm (D17)
18. Verdünnungsschritt: 0,0000000000000000585 Gramm (D18)
19. Verdünnungsschritt: 0,00000000000000000585 Gramm (D19)
20. Verdünnungsschritt: 0,000000000000000000585 Gramm (D20)
21. Verdünnungsschritt: 0,0000000000000000000585 Gramm (D21)
22. Verdünnungsschritt: 0,00000000000000000000585 Gramm (D22)
23. Verdünnungsschritt: 0,000000000000000000000585 Gramm (D23)

Da das Gewicht eines einzelnen Natrium-Atoms bei 0,0000000000000000000000382 Gramm und das eines einzelnen Chlor-Atoms bei 0,0000000000000000000000594 Gramm liegt, entspricht die Konzentration in der 23. Verdünnung Stufe den 6 Teilchen, die wir schon als Rest aus den ersten Verdünnungstabellen kennen. (Rundungsdifferenzen ignorieren wir).

D.h. ab D24 sind zwischen 0 und 6 Atome vorhanden, weitere Verdünnung führen dann nur noch zu Verdünnung von Lösungsmittel…was ja nun wirklich keinen Sinn macht, zumindest aus meiner- nicht  homöopathischer Sicht.

Sehr anschaulich werden die Verdünnungen hier dargestellt (9):

VerdünnungBemerkungen
D0
  • Urtinktur, unverdünnt (Urtinktur besteht je zur Hälfte aus Arzneimittel und Ethanol)
  • Urtinkturen sind als Arzneimittel zwar apothekenpflichtig, aber ohne Rezept erhältlich, sofern sie nicht der Verschreibungspflicht unterliegen.
D1
  • Niedrigpotenzen von Giften wie Quecksilber (Mercurius solubilis), Tollkirsche (Belladonna) usw. sind toxisch. So kann beispielsweise das vor allem in der von Homöopathen als „Laienhomöopathie“ bezeichneten Form als D6 oder D12 verwendete Arsen(III)-oxid (Arsenicum album) in der Dosierung von 1 g der D1-Lösung tödlich sein.
D2
  • Entspricht einer Konzentration, die sich durch Auflösung von 1 g Wirkstoff in 100 g, also 100 ml Flüssigkeit ergibt.
D4
  • Entspricht im Volumen ca. einem Tropfen auf einen halben Liter Lösungsmittel.
  • Bei auf D4 verdünnten Giften können Vergiftungserscheinungen auftreten. Beispielsweise führt Arsenicum album D4, 3 mal täglich 5 Tropfen über Wochen aufgenommen, zu chronischen Vergiftungserscheinungen.
D6
  • Entspricht etwa einem Tropfen auf 50 Liter (ca. eine halbe Badewanne) Lösungsmittel
  • Ab dieser Stufe übersteigt die Menge der Verunreinigungen im Lösungsmittel die Menge der noch vorhandenen Urtinktur.
  • Die höchste in der evidenzbasierten Medizin verwendete Verdünnung. Der giftigste bekannte Stoff Botulinumtoxin wird in der Neurologie in der Verdünnung 1:1.600.000 eingesetzt.
D8
  • Entspricht etwa einem Tropfen auf 5 m³ (5000 Liter] ≈ 25 gefüllte Badewannen) Lösungsmittel
  • Entspricht etwa dem Grenzwert von Arsen im Trinkwasser. Ab dieser Konzentration sind auch bei langfristigem Konsum keine Gesundheitsrisiken zu erwarten.
D12
  • Die Auflösung von 1 g Wirkstoff in dem Wasservolumen von 400 olympischen Schwimmbecken bzw. in 1.000.000 m³
D24
  • Entspräche etwa einem Tropfen im Volumen des Atlantiks
  • Bei dieser Potenz enthalten in einem idealisierenden Gedankenexperiment nur etwa die Hälfte aller 1-Liter-Flaschen D24-Lösung ein Molekül einer ein molaren Urtinktur; dementsprechend wird ab hier bei weiterer Zugabe von Lösungsmittel nicht mehr verdünnt, sondern Lösungsmittel mit Lösungsmittel gemischt.
D26
  • Entspräche etwa der Verdünnung von einem Tropfen im 3-fachen Volumen des gesamten Wassers auf der Erde
  • Wenn reines Wasser als Verdünnungsmittel verwendet wird, ist kein Molekül der Ursprungslösung mehr im Wasser vorhanden.
D60
  • Hier käme ein Molekül einer beliebigen Substanz in einer Wasserkugel mit einem Durchmesser von 150 Millionen Kilometern (der Abstand von der Erde zur Sonne) oder weniger als ein Zuckerstückchen … in Milliarden von Galaxien.
  • Von Hahnemann bevorzugte und für die Arzneimittelprüfungen empfohlene Potenz. Hochpotenzen von Belladonna haben bei homöopathischen Arzneimittelprüfungen keinen Unterschied zu Placebos ergeben.
D80
  • Entspräche einem Molekül der Ausgangssubstanz im gesamten beobachtbaren Universum
D400
  • Entspräche einem Molekül der Ausgangssubstanz im 10320 fachen Volumen des gesamten beobachtbaren Universums
D1000
  • Höchste üblicherweise lieferbare D-Potenz

Ein weiterer Verdünnungsschritt (ca. 1:100) tritt noch auf, indem man die gewonnene Flüssigkeit auf die Globuli verbringt.

Ein weiteres Problem entsteht bei den  „Spurenelementen“. Wenn man also als Lösungsmittel Wasser nimmt, so ist reines H2O im Grunde genommen nirgends vorhanden. In „normalem“ Leitungswasser sind ca. Natrium 30,56 mg/Liter, Chlorid 47,67 mg/Liter enthalten, das entspräche der Verdünnungsstufe in etwa D4. Diese Konzentration würde also bei jedem Verdünnungsschritt immer wieder dazu getan…d.h., dass eine höhere Verdünnung von NaCl mit Leitungswasser nicht herzustellen ist…oops.

Nimmt man „reinstes“ Wasser so sind da auch noch diverse Spurenelemente drin, so dass sich das gleiche Prinzip ergibt, nur eben bei höheren Verdünnungen.

Einige Urtinkturen sind auch tierischen Ursprungs, z.B. die Honigbiene. Wenn man diese armen Krabbler mit Milchsäurezucker im Mörser zermalmt, kommen Stoffe hervor, die sehr viele Bestandteile in unterschiedlicher Konzentration entstehen, also eine Art Cocktail…woraus das alles besteht, weiß keiner, Hahnemann wusste es schon gar nicht.

In (8) kommt man also zu der für die Homöopathie vernichtende Aussage:

    • Niemand weiß genau, was sich in homöopathischen Arzneien befindet.
    • Niemand weiß genau, wie viel sich von allen möglichen Stoffen in einer homöopathischen Arznei befindet.
    • Die Potenzangabe lässt keine genauen Aussagen zur Konzentration der Inhaltsstoffe zu. Sie beschreibt nur, wie oft der Verdünnungsvorgang durchgeführt wurde, nicht jedoch das Resultat.
    • Die Potenzangabe auf einem Arzneifläschchen ist grob unvollständig. Mindestens bei allen Arzneien pflanzlicher oder tierischer Herkunft müssten auch Potenzangaben von solchen chemischen Verbindungen angegeben werden, die als eigenständige homöopathische Grundstoffe im Ausgangsstoff zu finden sind.

Einige der Urtinkturen sind auch stark giftig, also wer trotzdem auf Arsen kauen möchte, nur zu, aber dann bitte ab D8.

Und mal Hand aufs Herz, wenn ich aus irgendwelchen Gründen Kochsalz Globuli in, z.B. D8 einnehme, mir aber morgens ein Frühstücksei mit Salz würze, also einige Trillionen Atome zu mir nehme, wie soll mein Körper nun unterscheiden, was welches Salz ist? Das aus den Globuli oder das aus dem Salzspender? Letzteres sollte der Körper besser vergessen und sich gefälligst auf das aus den Globuli konzentrieren, nur das das hilft! (Hinweis von einem mit mir befreudeten Apotheker in einem Gespräch im März).

Hier ein weiterer Hinweis von ihm (vom 27.3.):

In den allermeisten Fällen geschieht das Potenzieren sowie das Extrahieren mit Äthanol verschiedener Volumenprozente. Wichtig ist das z.B. beim „gleichmäßigen“ Besprenkeln von ca. 500 Globuli mit 1 g Tinktur. Eine wässrige Lösung würde hier die Lactulose oder auch Glucose Kügelchen auflösen. Übrig bliebe ein Brei. Nur wenn es sich um Substanzen handelt, die wie z.B. Mineralien nur bedingt in Äthanol löslich sind, kommt Wasser zum Einsatz oder man greift dann lieber auf Triturationen, also Verreibungen mit Milchzucker zurück.

Das ändert aber nicht prinzipiell das oben gesagt bezgl. der Spurenelemente.