Das noble Experiment
Sigmund Freud kommentierte das Geschehen so:
„Wer durch Dezennien (Jahrzehnte) Schlafmittel genommen hat, kann natürlich nicht schlafen, wenn man ihm das Mittel entzieht. Dass die Wirkung der religiösen Tröstungen der eines Narkotikums gleichgesetzt werden darf, wird durch einen Vorgang in Amerika hübsch erläutert. Dort will man jetzt den Menschen – offenbar unter dem Einfluss der Frauenherrschaft – alle Reiz-, Rausch- und Genussmittel entziehen und übersättigt sie zur Entschädigung mit Gottesfurcht. Auch auf den Ausgang dieses Experiments braucht man nicht neugierig zu sein“
– Sigmund Freud: Fragen der Gesellschaft – Ursprünge der Religion. Die Zukunft einer Illusion
Die Prohibition traf die Gesellschaft nicht wie ein Schock. Schon seit vielen Jahren war darüber diskutiert worden. Es wurde von manchen progressiven als „Experiment“ tituliert.
Herbert C. Hoover (der 31. President der USA) formulierte 1928:
Unser Land hat freiwillig ein großes soziales und ökonomisches Experiment auf sich genommen, das nobel in seinen Motiven und weitreichend in seinen Zielsetzungen ist Es muss konstruktiv ausgearbeitet werden.
Diese Karikatur beschreibt das „Experiment“ trefflich: (Quelle: https://campbellschronicles.wordpress.com/)

In Welskopp, 2020, Seite 54 heißt es dazu:
In den späten Jahren der Prohibition bildete eine Karikatur das amerikanische Volk als verhärmtes menschliches Versuchskaninchen mit panisch aufgerissenen Augen ab, das auf einem Operationstisch festgeschnallt kauert und dem ein weiß vermummter Doktor mit Operationsmaske, Spiegelbrille und Gummihandschuhen eine überdimensionale Spritze verabreicht. Diese trägt unter einem Totenkopfsymbol die Aufschrift :“Prohibition“. Eine altjüngferlich gekleidete und streng bebrillte Krankenschwester mit verkniffenem Gesicht hält eine Tropfschale bereit und verkörpert die Women’s Christian Temperence Union. Neben ihr blickt ein sanguinisch (i.e. heiter, lebhaft) lächelnder Herbert Hoover im Mantel und mit gezogenem Fedora Hut in der Hand auf das geknebelte Opfer herab. Der Untertitel legt ihm die Worte in den Mund: „Yes, it’s a noble experiment“ (Ja, es ist ein tapferes Experiment).
Die progressiven Kräfte, die sich vor allem aus Vorstädten der großen Metropolen rekrutierten, war fest davon überzeugt, die Gesellschaft quasi am Reißbrett zu planen und dann durch Gesetze zu verbessern. Das Individuum verlor dabei natürlich völlig an Bedeutung und war nur Mittel zum Zweck. Wheeler hatte sie für sich eingespannt.
Die 18. Erweiterung diente demnach als „Experiment“, das aber mit diesen Grundsätzen zu Problemen führte:
- Die Individuellen Grundrechte, die in der „Bill of Rights“ (4. Erweiterung der Verfassung) ausdrücklich festgeschrieben worden war, wurden grundlegend, bis in das Private hinein, beschnitten
- Der Schutz des Privateigentums wurde sehr unterschiedlich „ausgelegt“
Generell gilt, ein Gesetz zu verabschieden ist das eine, die Einhaltung zu kontrollieren ist das andere. Ohne Kontrollen war die Umsetzung der Prohibition nicht möglich und Kontrollen erfolgten eben ohne vorhergehende Anordnung sowohl von Fußgängern, Autos und auch Privathäusern (s.u.). Jedes Mal wurde dabei gegen die „Bill of rights“ und das oberste Gericht (supreme court) bemühte sich nun mit hahnebüchenden Urteilen, dieses zu legalisieren. Sowohl die Privatspähre auf Grundstücken und in Privatautos war nicht mehr geschützt, die konnten jederzeit kontrolliert werden.
Auch die zunehmend genutzten Telefone, waren vor abhören nicht sicher. Im Fall Olmstead vs. United States (s.u.) wurde das sanktioniert. Die Schmuggler hätten „im öffentlichen Raum“ gesprochen und die Telefonate hätten „freiwillig“ stattgefunden.
Es dauerte aber bis zum Jahr 1933 bis klar wurde, dass das „Experiment“ grundlegend gescheitert war.
Aber der Reihe nach…