Ursprüngliche Herkunft von Findlingen
Findlinge oder wie der Geologe auch sagt „erratische Blöcke“, bezeichnet man als Gesteine, die atypisch für die Gesteine sind, in deren Umfeld diese Blöcke liegen. Sie passen da einfach nicht hin. Lange Zeit glaubte man daran, der Teufel hätte sie dorthin gebracht, weil er sie gegen die Kirchen schleudern wollte oder sie seien vom Himmel gefallen und die Sintflut hätte sie herbei gespült. Goethe glaubte, es wären Überreste riesiger Felsmassen…
Erst im Jahr 1875 entdeckte der schwedische Geologe Torell Gletscherschrammen bei Berlin und es formte sich die Theorie der Transport dieser Steine durch das Eis der letzten Kaltzeit.
Sie kommen sowohl in der norddeutschen Bucht, aber auch im Alpenvorland vor.
Das Eis der Saalekaltzeit war immerhin ca. 300 m mächtig und in dem Eis und aber vor allem am Boden der Gletscher transportierte das wandernde Eis die Gesteinsbrocken in Fließrichtung des Gletschers weiter. Dabei schrammten diese Brocken hobelnd auf dem Untergrund und ihre Ecken wurden abgerundet, wie auch bei den Steinen in Billerbeck zu sehen. Gesteine wurden auch aus dem Untergrund raus gebrochen und das Eis ging mit ihnen auf die Reise.
Petrographisch sind es meist Granite und ähnliche sehr harte Gesteine, die diesem enormen Druck stand hielten. Die Gesteine, die aus Nordeuropa stammen, werden unterschieden und benannt nach ihren ursprünglichen Herkunfstorten wie z.B. Upsala-, Filipstad-, Växiö-Granit.
Es waren z.T. ziemlich große Brocken, die das Eis zu uns gebracht hat: 3-4000 m3 Volumen und bis zu 7900 t Gewicht.
In Westfalen schob sich das Eis etwa bis zu der Linie Düsseldorf – Dortmund – Paderborn vor, dann schmolz es und die Findlinge blieben liegen.
Sie erhielten dann auch z.T. eigene Namen (z.B. „Holtwicker Ei“ s.u.).
Man hört immer wieder „Theorien“, das Eis hätte die Berge des Sauerlands gefaltet. Das ist natürlich völliger Unsinn, diese Gebirgsbildung fand viele Millionen Jahre vorher statt, im Zuge der variszischen Gebirgsbildung in einem Zeitraum von ca. 420 und 290 Mill. Jahren im jüngeren Paläozoikum.
Quelle:
https://www.lwl.org/LWL/Kultur/Westfalen_Regional/Naturraum/Findlinge
Nutzung von Findlingen
Neben touristischen Attraktionen (z.B. dem Findlingswald in Petershagen) fanden Findlinge unterschiedliche Verwendung. Man sieht sie z.B. hier in Westfalen oft in Gärten als Schmucksteine und man brach sie auseinander (bis ins 20. Jhd. hinein mit Holzkeilen, die man in Spalten einschlug und dann Wasser darüber goss, welches einen hohen Druck durch Quellen des Holzes erzeugte, der dann die Sprengwirkung erzielte) um sie dann z.B. im Strassenbau zu verwenden.
Sie waren oft auch hinderlich, wenn z.B. ein großer Brocken mitten in einem Feld lag, konnten landwirtschaftliche Maschinen Schaden nehmen. Sie wurden dann meist gesprengt und in kleineren Stücken abtransportiert.
Wie viele es in Summe sind, bzw waren, weiß kein Mensch, aber es wachsen immer noch welche „aus dem Boden“.
Historische Bedeutung von Findlingen /Bonenjäger
Eine sehr interessante Quelle, die Auskunft über die Herkunft der Steine gibt ist das Buch von Dr. Josef Kemper: Bonenjäger, eine Forschung auf dem Gebiete der münsterschen Mundart, 56 Seiten, Münster 1881, Aschendorf-Verlag.
Dort heißt es im § 2:
In dem nördlichen Theile des Kreises Coesfeld, namentlich in den Gemeinden Holtwick, Osterwick, Coesfeld, Billerbeck wissen die meisten Landleute von dem Bonenjäger zu erzählen. Sie verstehen darunter jenen spukenden Jäger, welchen der Dichter Bürger als Wild- ode Rheingrafen bezeichnet.
Weiter unten heißt es: Demnach sagen die Alterthumsforscher, das der wilde Jäger kein anderer sei, als der Gott Wodan oder Odin selbst…
Seite 7: Gewöhnlich zieht der wilde Jäger hoch durch den Aether; Bürger läßt ihn des nachts durch die Lüfte, des Tags durch die Erde fahren; im nördlich Teil des Kreises Coesfeld hat man Spuren und Denkmälen von ihm oben auf der Erde. Bei dem Dorfe Holtwick z.B. liegt ein sogn. Erratischer Felsblock, welcher jedenfalls zu den größten seiner Art in Westfalen gehört und wohl verglichen werden kann mit dem Markgrafenstein von Fürstenwalde in der Provinz Brandenburg. Er ist bekannt unter dem Namen „Holtwicker Ei“; manche Landleute in der Umgebung aber nennen ihn „Bonenjägerstein“. Noch andere Steine dieses Namens gab es in der hiesigen Gegend.
Einer z.B., auf dessen Oberfläche sich Figuren befunden haben sollen, wurde zersprengt in der Coesfeldschen Bauerschaft Harle auf dem Isselfelde.
Der bei weitem berühmtste aber auch merkwürdigste lag noch vor 25 Jahren in der Gemeinde Billerbeck in der Bauerschaft Gerleve; dort wo der früher ungeteilte Gemeindeboden dieser Bauerschaft an das Roruper Holz stößt.
Weit über die benachbaten Gemeinden hinaus war der Ruf dieses Granitblocks gedrungen. Zum größten Teil steckte er in der Erde nur etwa bis zur Brust eines Mannes ragte er aus dem Boden.
Sein Cubickinhalt war so bedeutend, das durch seine Sprengung nicht weniger als 14 Fuder (Fuder: eine Wagenladung eines zweispänningen Wagens, ca. 800-1800 Liter) Pflastersteine gewonnen wurden. Seinen Ruhm aber verdankte er nicht so sehr seiner Größe, als vielmehr den Eingrabungen, die seine Oberfläche auszeichneten. Hier, erzählten die Laudleute, habe der wilde Jäger gestanden und vermöge seiner höllischen Natur seine Spuren tief in den Stein gedrückt., wie wenn wir gewöhnliche Menschen in den Schnee treten. Diese Fussstapfen galten dem Aberglauben als ein unstreitbares Zeugnis für die Wirklichkeit jenes Jägers.
Ich empfehle wirklich, dieses kleine Buch über die Bonenjäger zu lesen man erfährt so einiges über die Sagen und Bräuche, aber auch über die Mundart im Münsterland. Es ist auch als Nachdruck erhältlich.
Petrograpische Eigenschaften der Steine
Bei erneuter in Ansichtnahme der Steine Anfang Oktober von einem sehr erfahrernen Geologen und mir (als unerfahrener Geologe…) sind wir übereingekommen, das die Steine unterschiedliche Zusammensetzung haben. Darüber hinaus hat ein Stein eine deutlich größere Korngröße als die anderen.
Um das aber genau festzustellen, müßte man den Steinen etwas abschlagen oder sie sogar aufschneiden, um eine reine Probe zu bekommen, aber das wäre ja zu schade.
Wenn die Steine unterschiedlich sind und danach sieht es unzweifelhaft aus, stützt das auch die These, das „wendige Bauern Findlinge besaßen und auf dem genannten Grundstück anfuhren“ (s.u.), d.h. dann eben von unterschiedlichen Standorten.
Hier einige Detailaufnahmen.
Dieser Stein ist deutlich gröber und weist eine rötliche Farbe auf.
Herkunft der Findlinge für das Denkmal in Billerbeck
Die zeitliche Reihenfolge wie es genau zu dem Denkmal an der Ludgeristr gekommen ist, läßt sich auf Basis der mir verfügbaren Quellen nicht eindeutig rekonstruieren.
Eine Quelle die wahrscheinlich aus dem Nachlass von Herrn Paul Schulze-Isfort (siehe Quellen) stammt, aber leider keinen zeitlichen Hinweis auf die darin beschriebenen Vorgänge enthält, läßt den Vorgang erahnen:
Das heutige Grundstück auf dem Herr Herman Beckebans wohnt, bevor es bebaut wurde, gehörte der Familie Schölling. Die Grundstückspitze von diesem Grundstück gehörte der Stadt Billerbeck und war ein Wasserloch. Dieses Loch wurde zugeschüttet und Herr Karl Knüppel fand wendige Bauern, die Findlinge besaßen und auf dem genannten Grundstück anfuhren. 1933 suchte man ein Denkmal für Schlageter und bis Kriegsende war es das „Schlageter-Denkmal“.
Eine andere Quelle zeitlich aber später (s.u. Mahnmal) weist auf einen Zeitpunkt etwa um 1928 an dem die Steine aus Gerleve angeliefert wurden. Aus welchem Gund ist den Quellen aber nicht zu entnehmen.
Aus meiner Sicht könnte es sich so abgespielt haben:
- Um 1850 wurde ein großer Stein bei Gerleve gesprengt, einige von diesem Gerlever Stein sollen sich hier wieder finden (Quelle s.o. Buch von Dr. Kemper, 1881, Seite 7), der endgültige Beweis dafür wird aber nur schwer zu erbringen sein.
- 1928 werden die Steine an die Stelle gebracht, ob schon errrichtet oder nicht bleibt noch offen (Quelle: s.o. und Billlerbecker Anzeiger, wahrscheinlich Oktober 1953)
- März 1933 nach der Machtergreifung erging der Ratsbeschluss ein Denkmal zu errichten (Quelle: Infotafel der Stadt Billerbeck)
- Den Auftrag dazu erhielt der Bildhauer Heckmann, der wahrscheinlich die Steine in die jetzige Form brachte und den Schriftzug Albert Leo Schlageter einmeißeln ließ (Quelle: BA 20.5.1934). Ferner bepflanzte er das Areal.
- Am 27.5.1934 war die Einweihung (Quelle: Billerbecker Anzeiger vom 28.5.1034)
Eine andere Quelle, ebenfalls aus dem Stadtarchiv, gibt Hinweise darauf, das die Steine zum Ratsbeschluss noch nicht da waren und erst danach an die Ludgeristr. gebracht wurden.
Zitat aus der Quelle aus dem Billerbecker Stadt Archiv: Gespräch zwischen Herrn Paul Schulze-Isfort mit dem Bauer Essmann-Gerleve am 29.9.1990:
Heute mit obigen Datum (29.9.1990) sprach ich mit Herrn Gerleve-Essmann von Gerleve. Ich traf ihn an der Kreuzung Bergstrasse – Coesfelderstrasse und an der Strasse in der Osthellermark von der Billerbeckerstrasse nach Gerleve – kurz vor dem Anwesen Lürwer. Wir haben uns etwa ein halbe Stunde unterhalten und hatten genügend Zeit, um uns über die Herkunft der Findlinge zu unterhalten.
„Das waren meine Steine — und das sind sie heute noch meine Steine – die sind mir gestohlen!!!“ war seine Redewendung.
„Die Findlingsgruppe hat fast genau so, wie sie heute aufgebaut ist, bei mir auf dem Hof gesessen. Die Fa. Overlage-Pettendrup hat die Findlinge bei mir abgefahren.“ Auf meine Frage: Wann das etwa gewesen sein kann? „Ich war schon verheiratet.“ Darf ich wissen, wann Sie geheiratet haben? „Am 23.Mai 1933.“
Am 27.5.1934 wurde das Denkmal eingeweiht, nach Unterlagen alter Billerbecker Bürger zu Ehren des Freiheitskämpfers Albert Leo Schlageter.
Gerleve – Essmann wollte sich noch wehren, aber Freunde und eingeweihte Billerbecker rieten ihm ab und hätten ihn gewarnt: „Tu das nicht- die sperren dich noch ein!“
Zitat Ende
Quellen widersprechen sich schon mal, aber ob die Steine vor 1933 oder nach 1933 aufgestellt wurden ist für die spätere Bedeutung eher unerheblich (s.u.).
Im Nachgang zur Erstellung dieser Seite, sind im Stadtarchiv von Billerbeck noch weitere Quellen aufgetaucht:
Diese weiteren Quellen erlauben es den Zeitpunkt der Anlieferung und der Beauftragung der Steine an das Wegedreieck noch weiter einzugrenzen.
In diesen zusätzlichen Quellen steht:
Bericht über den Stand und die Verwaltung der Amts- und Gemeindeangelegenheiten des Amtes Billerbeck in Westf. Für das Jahr 1930
Das das Amt dem Verkehrsausschaus der Stadt Billerbeck das Wegedreieck an der Ludgeristrasse zwecks Errichten von Findlingen zur Verfügung gestellt hat.
D.h., das 1930 zunächst der Platz für die Steine quasi reserviert wurde.
Auch in der zweiten Quelle der Geschichte der Stadt Billerbeck findet sich dieser Hinweis.
Auf der letzten Seite der Quellen ist dieser Vorgang belegt: der Verkehrsausschuss bittet die Stadt darum, das Grundstück zur Verfügung zu stellen.
Handschriftlich vermerkt auf der Seite
- (illerbeck) 23.10. (19)30
? die Amtsvertr. (etung)
hat sich mit der
Ausführung
unbeanstandeten
Antrages nun
einverstanden
erklärt u. (nd)
ist der ??
??
??
zdA (zu den Akten)
E Fr. Tw.
(Paraphe Ehrenamtmann Freiherr von Twickel)
(Übersetzung des Sütterlin-Textes vom Stadtarchiv Billerbeck ohne Gewähr!)
Der Verkehrsausschuss hatte wohl den Auftrag, die Stadt Billerbeck auch überregional bekannt zu machen. Es wurden Wanderwege angelegt und Blumenwettbewerbe durchgeführt…Billerbeck soll schöner werden!
Wenn die Gestaltung als Denkmal also in der ersten Ratssitzung im März 1933, in der die NSDAP die Mehrheit hatte, beauftragt wurde, müssen die Steine also im Auftrag des Verkehrsausschusses zwischen Oktober 1930 und Februar 1933 angeliefert worden sein.
Der absolut genaue Zeitpunkt, lässt sich aus den Quellen leider nicht ableiten, ist aber auch für die weitere Geschichte eher unerheblich.
Herr Knüppel, in der Zeit von 1933—1945 Bürgermeister von Billerbeck, hatte da wohl schon einen Plan, aber das ist jetzt nur meine persönliche Vermutung.
Nachdem nun geologische und petrographische Fragen geklärt sind und ungefähr beleuchtet werden konnte, wie die Steine dorthin gelangten, schauen wir jetzt auf die „Politik“ hinter den Steinen und die ist nicht minder spannend!